Navigation und Service

HinweisCookies

Diese Webseite verwendet Cookies. Diese dienen der Zwischenspeicherung bei Bestell- oder Anmeldevorgängen. Nicht erfasst werden Daten wie Nutzungshäufigkeit oder Verhaltensweisen. Hier erfahren Sie mehr zum Thema Datenschutz.

OK

Neue Regelungen der ZTV-ING 3-4 und 3-5 zur sachkundigen Planung und Ausführung für Schutz- und Instandsetzung von Betonbauteilen

Einführung

Im November 2017 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eine überarbeitete Fassung der ZTV-ING Teil 3, Abschnitte 4 und 5 [1], für den Bereich der Bundesfernstraßen mit Allgemeinem Rundschreiben Straßenbau (ARS) Nr. 20/2017 [2] bekanntgegeben. Anlass hierfür ist ein Urteil des EuGH von 2014, mit dem das Vorgehen Deutschlands, nationale Zusatzanforderungen an Bauprodukte mit CE-Kennzeichnung nach europäisch harmonisierten Normen zu stellen, für unzulässig erklärt wird. Augenfälligste Neuerung der ZTV-ING 3-4/3-5 ist eine grundlegend andere Vorgehensweise bei der Qualitätssicherung werkmäßig hergestellter Instandsetzungsprodukte und -systeme unbekannter Zusammensetzung (Mörtel, Spritzmörtel, Oberflächenschutzsysteme, Rissinjektionsstoffe). Konnten in Deutschland Planer, Ausschreibende und bauausführende Firmen diesbezüglich bislang auf Instandsetzungssysteme zurückgreifen, welche vorab durch unabhängige Dritte auf ihre Verwendbarkeit hin untersucht worden waren, muss dieser Verwendbarkeitsnachweis nunmehr im Einzelfall projektspezifisch durch den Aufragnehmer erfolgen. Eine zulässige Alternative können künftig „Prüffähige Bescheinigungen nach Art. 30 Bauproduktenverordnung (BauPVO)“1) werden.

Hintergrund

In der bislang gültigen Fassungen der ZTV-ING 3-4/3-5 (2013) waren mit werkmäßig hergestellten Instandsetzungsmörteln, Oberflächenschutzsystemen und Rissinjektionsstoffen unbekannter Zusammensetzung unter anderem Schutz- und Instandsetzungssysteme für Betonbauwerke geregelt, zu denen mit der DIN EN 1504-Reihe [3] parallel auch harmonisierte Europäische Normen (hEN) existieren. Die ZTV-ING enthielten bislang ergänzende Anforderungen hinsichtlich der nachzuweisenden Leistungsmerkmale sowie der Form der Qualitätssicherung dieser Instandsetzungsprodukte und haben dabei auch ergänzend zu den Normen der Reihe DIN EN 1504 indirekt entsprechende nationale Restregelungen in Bezug genommen. Gleiches gilt auch für die aktuell noch gültige DAfStb-Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ aus dem Jahr 2001 [4].

Ergänzende Anforderungen an Produkte gemäß DIN EN 1504-Reihe sind nach Auffassung der meisten am Baugeschehen Beteiligten auch künftig unverzichtbar. Mit den gemäß EN 1504 nachzuweisenden Leistungsmerkmalen kann bei Instandsetzungsmaßnahmen an Betonbrücken im Bereich des Bundesfernstraßennetzes die erforderliche Leistungsfähigkeit der Instandsetzungsprodukte in den allermeisten Fällen nicht angemessen beschrieben werden. Das für DIN EN 1504-Produkte vorgegebene System 2+ der Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit (AVCP2)-System 2+: der Hersteller erklärt, dass mindestens eines der gemäß DIN EN 1504-Reihe definierten Leistungsmerkmale eingehalten wird und dokumentiert dies durch Anbringen des CE-Zeichens) bietet insbesondere aus Sicht der bauausführenden Firmen und der Bauherren keine ausreichende Sicherheit hinsichtlich der Einhaltung der Produkteigenschaften und führt gegenüber den bisherigen Nachweiserfordernissen zu entsprechenden Risikoverlagerungen.

Aufgrund von europäischen Vorgaben und diesbezüglicher Novellierungen des Bauordnungsrechts sind weitreichende Änderungen der bisherigen Vorgehensweisen erforderlich geworden, die für ZTV-ING 3-4/3-5 sowie ZTV-W LB 219 [5] mit zugehörigen BAWEmpfehlungen [6] (Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken) weitgehend einheitlich entwickelt worden sind. Die bislang praktizierte Vorgehensweise, bei werkmäßig hergestellten Mörteln, Spritzmörteln, Oberflächenschutzsystemen und Rissinjektionsstoffen unbekannter Zusammensetzung grundsätzlich

a) für den jeweiligen Baubereich als notwendig erachtete zusätzliche Anforderungen (beispielsweise über DAfStb, 2001) in standardisierter Form zu stellen,

b) die Einhaltung dieser Anforderungen durch unabhängige anerkannte Prüfstellen (nach LBO) überprüfen zu lassen (für polymergebunde beziehungsweise -modifizierte Instandsetzungsmörtel Dokumentation durch ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP), hier auch Plausibilisierung der Angaben zur Ausführung des Herstellers),

c) die Übereinstimmung der produzierten Chargen mit der gemäß b) hinsichtlich der Verwendbarkeit geprüften Charge durch eine werkseigene Produktionskontrolle des Herstellers (und eine regelmäßige Fremdüberwachung bei Instandsetzungsmörtel) durch eine hierfür anerkannte Überwachungsstelle (nach LBO) sicherzustellen,

d) den in b) und c) genannten Sachverhalt durch ein Übereinstimmungszertifikat einer hierfür anerkannten Zertifizierungsstelle (nach LBO) bestätigen zu lassen,

ist nicht mehr zulässig. Dies gilt gleichermaßen auch für die Forderung nach einem Ü-Zeichen auf den entsprechenden Produkten, mit denen der vorgenannte Sachverhalt durch den Produkthersteller dokumentiert worden ist. Die entsprechenden Zusammenstellungen der BASt, in die nur Produkte aufgenommen worden sind, die den vorgenannten Anforderungen genügen, können somit ebenfalls nicht mehr aufrechterhalten werden.

Die soweit beschriebene Vorgehensweise wurde im Bereich der Betoninstandsetzung erstmals 1987/88 mit den damaligen ZTV-SIB und ZTV-RISS angewandt. Sie hatte zum Ziel, den projektspezifischen Nachweis der erforderlichen Eigenschaften bei jeder einzelnen Baumaßnahme an der zur Verwendung vorgesehenen Charge („Eignungsprüfung“) durch einen einmaligen vorlaufenden (Verwendbarkeits-)Nachweis und eine entsprechende Überwachung der Stoffherstellung zu ersetzen. Mit dem oben genannten EuGH-Urteil rückt der projektspezifische Nachweis wieder in den Fokus.

Deutlich geworden sein dürfte aus der vorgenannten Darstellung, dass für die Regelungen zur Betoninstandsetzung an Bauwerken im Bereich des BMVI nunmehr seit geraumer Zeit Handlungsbedarf besteht. Ursprünglich sollte mit der entsprechenden Überarbeitung der ZTV-ING bis zur Vorlage der künftigen Instandhaltungs-Richtlinie des DAfStb, welche die bisherige Instandsetzungsrichtlinie ersetzen soll und entsprechende Vorgaben enthält, gewartet werden, um diese möglichst umfassend in Bezug nehmen zu können. Mit dem Einspruch des Verbands der Hersteller bauchemischer Produkte gegen die Verabschiedung dieser Richtlinie bestand für die ZTV-ING die Notwendigkeit der Schaffung einer Übergangslösung. Bei deren Erarbeitung wurde darauf geachtet, dass möglichst keine Widersprüche zur künftigen DAfStb-Richtlinie entstehen.

Umsetzung in ZTV-ING

Durch die Neugestaltung der Musterbauordnung (MBO) [7] und die damit verbundene „Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB)“ [8] wird eine zulässige Vorgehensweise aufgezeigt, wonach zukünftig projektspezifische Anforderungen an Bauprodukte unmittelbar aus den Anforderungen an das betroffene Bauwerk abgeleitet werden können. Mit der Überarbeitung von ZTV-ING 3-4/3-5 erfolgen alle Festlegungen zur Qualitätssicherung der oben genannten Schutz- und Instandsetzungssysteme künftig nicht mehr in standardisierter Form, sondern projektspezifisch durch den Auftraggeber beziehungsweise den von diesem beauftragten Sachkundigen Planer.

Konkret verlangt die ZTV-ING, dass der Sachkundige Planer vor dem Hintergrund der jeweiligen Einwirkungen und im Hinblick auf das Erreichen der jeweiligen Instandsetzungsziele festlegt, welche projektspezifischen Anforderungen an Baustoffe zu stellen sind. Der Sachkundige Planer muss hierzu projektspezifisch festlegen,

  • welche Produktmerkmale, Prüfverfahren und Anforderungen für den Nachweis der Verwendbarkeit erforderlich sind und in welcher Form der Nachweis durch den Auftragnehmer erfolgen muss,
  • welche Produktmerkmale, Prüfverfahren und Anforderungen für den Nachweis der Übereinstimmung erforderlich sind und in welcher Form der Nachweis durch den Auftragnehmer erfolgen muss,
  • welchen Mindestumfang die verbindlichen „Angaben zur Ausführung“ (des Produktherstellers) aufweisen müssen.

Die entsprechenden Festlegungen sind in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Alle über den in den entsprechenden Bezugsnormen festgelegten Umfang hinausgehenden Nachweise sind gesondert auszuschreiben und zu vergüten.

Als Hilfestellung für den Sachkundigen Planer hat die Bundesanstalt für Straßenwesen spezielle Hinweisblätter erarbeitet [9]. Diese Hinweise und die oben genannten BAWEmpfehlung sind hinsichtlich derjenigen Schutz- und Instandsetzungssysteme, welche gleichermaßen in ZTV-ING und ZTV-W enthalten sind, identisch. Die ZTV-ING und die entsprechenden Hinweise kennen darüber hinaus insbesondere weitere Oberflächenschutzsysteme sowie polymergebundene Instandsetzungsmörtel, die ZTV-W LB 219 und die entsprechende BAWEmpfehlung Betonersatzsysteme für geringerfeste Betonuntergründe.

Die projektspezifisch erforderlichen Nachweise sind von der beauftragten bauausführenden Firma an der einzusetzenden Charge zu führen. Dieser projektspezifische Verwendbarkeitsnachweis dürfte in den meisten Fällen erhebliche Aufwände und entsprechende zeitliche Vorläufe bedingen. Aus diesem Grund wird als Alternative eine prüffähige Bescheinigung einer entsprechend Artikel 30 BauPVO qualifizierten Stelle regelmäßig als gleichwertige Alternative anerkannt, sofern diese den Anforderungen der Leistungsbeschreibung vollumfänglich genügt. Für Deutschland ist das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) die nach Artikel 30 BauPVO für alle Produktbereiche benannte technische Bewertungsstelle. Das DIBt erstellt künftig individuelle Gutachten zur Bewertung freiwilliger Herstellerangaben, mit denen die Einhaltung bestimmter Leistungsmerkmale, Art und Umfang von Übereinstimmungsnachweisen sowie die Inhalte der Angaben zur Ausführung auf Antrag von Produktherstellern bescheinigt werden. Hiermit können Hersteller Lücken zu den harmonisierten Normen auf freiwilliger Basis schließen und dies dokumentieren.

Die Anwendung der Hinweise zu den ZTV-ING durch den Sachkundigen Planer ist nicht verbindlich. Bei Instandsetzungsmaßnahmen mit Standsicherheitsrelevanz kann im Hinblick auf die Instandsetzungssysteme allerdings regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die bauaufsichtlichen Aspekte in angemessener Weise berücksichtigt worden sind, wenn für die jeweiligen projektspezifischen Randbedingungen die Hinweise zu den ZTV-ING vollumfänglich eingehalten werden. Andernfalls ist eine Zustimmung im Einzelfall (ZIE) erforderlich.

Der Verweis auf nationale Restregelungen für oben genannte Schutz- und Instandsetzungsprodukte entfällt in den ZTV-ING. Auf dieser Grundlage akzeptierte Produkte sowie anerkannte Prüfstellen werden zukünftig nicht mehr in den Zusammenstellungen der BASt geführt; für in der Durchführung befindliche Projekte kann jedoch noch auf bislang gelistete Baustoffe und Baustoffsysteme aus den Zusammenstellungen zurückgegriffen werden. Diese Zusammenstellungen stehen zudem für einen Übergangszeitraum bis zum 31.12.2018 als alternativer Nachweis der Verwendbarkeit (und Übereinstimmung) zur Verfügung. Für Altprojekte kann auf geeignete Konformitätsbewertungsstellen unter anderem im Verzeichnis der P-, Ü-, Z-Stellen der BASt zurückgegriffen werden. ZTV-ING, ARS und Hinweisblätter sind auf der Homepage der BASt zum kostenlosen Download verfügbar.

Zeitgleich und in Übereinstimmung mit der Überarbeitung der ZTV-ING wurde eine überarbeitete Fassung der ZTV-W LB 219 sowie eine zugehörige BAWEmpfehlung für den Geschäftsbereich der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) eingeführt.
________________________________

1) Die Mitgliedstaaten der EU benennen gemäß Artikel 29 BauPVO in ihrem Hoheitsgebiet Technische Bewertungsstellen die in Produktbereichen, für die sie benannt wurden, Bewertungen durchführen und Europäische Technische Bewertungen ausstellen. Die Anforderungen an Technische Bewertungsstellen ergeben sich aus Artikel 30 BauPVO.

2) Die Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit (Englisch: Assessment and Verification of Constancy of Performance, AVCP) ist die Voraussetzung für die Erstellung einer Leistungserklärung. Die Verfahren beziehungsweise Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit (AVCP-Verfahren bzw. AVCP-Systeme) sollen dazu dienen, genaue, zuverlässige und vergleichbare Informationen über die Leistungen eines Bauproduktes zu erhalten.

Die AVCP-Systeme enthalten Verfahrensschritte zur werkseigenen Produktionskontrolle (WPK), zu Produktprüfungen durch bezeichnete und notifizierte Stellen, zur Fremdüberwachung des Produktionsprozesses durch eine bezeichnete und notifizierte Zertifizierungsstelle für die WPK und zur Zertifizierung der Leistungsbestätigung durch eine bezeichnete und notifizierte Produktzertifizierungsstelle. Die AVCP-Systeme enthalten je nach Sicherheitsrelevanz eines Bauproduktes für die Grundanforderungen an Bauwerke unterschiedliche Stufen von zu erbringenden Prüf- und Bewertungsprozessen. Je nach dem zu prüfenden Produktmerkmal und je nach dem System, das zur Anwendung gelangt, können eine oder mehrere bezeichnete oder nach internationalen Abkommen anerkannte Stellen in den Prozess mit einzuschalten sein.

Welches AVCP-System für ein Bauprodukt angewendet werden muss, ergibt sich aus den harmonisierten technischen Spezifikationen (harmonisierte Norm und Europäisches Bewertungsdokument), durch die das Bauprodukt erfasst wird. Je nach Produktmerkmal und Verwendungszweck können für ein Produkt auch unterschiedliche Leistungsbewertungssysteme zur Anwendung kommen.

Literatur

[1] Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauwerke (2017). Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach.
[2] Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 20/2017, BMVI.
[3] DIN EN 1504, Teile 1 bis 10: Produkte und Systeme für den Schutz und die Instandsetzung von Betontragwerken – Definitionen, Anforderungen, Qualitätsüberwachung und Beurteilung der Konformität. Beuth-Verlag, Berlin.
[4] Richtlinie „Instandsetzung von Betonbauteilen“, Ausgabe 2001. DAfStb, Berlin.
[5] ZTV-W LB 219 (2017): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen – Wasserbau (ZTV-W) für die Instandsetzung der Betonbauteile von Wasserbauwerken (Leistungsbereich 219), Ausgabe 2017. BMVI, Abteilung Wasserstraßen, Schifffahrt.
[6] BAWEmpfehlung „Instandsetzungsprodukte“. Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe.
[7] Musterbauordnung (MBO) (2016). ARGEBAU.
[8] Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) (2017). DIBt, Berlin.
[9] Hinweise zu ZTV-ING (2017). Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach.