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Psychische Folgen von Verkehrsunfällen

BASt-Bericht M 245

Kerstin Auerbach, Bundesanstalt für Straßenwesen
132 Seiten
Erscheinungsjahr: 2014
Preis: 20,00 €

Bestellung eines gedruckten Exemplars beim Carl Schünemann Verlag GmbH

In der vorliegenden Multicenterstudie wurde eine prospektive Befragung von Verkehrsunfallopfern, die sich zur stationären Behandlung in einem Akutkrankenhaus befanden, durchgeführt. Ziel der Untersuchung war es insbesondere, Informationen zur Häufigkeit psychischer Auffälligkeiten infolge von Verkehrsunfällen zu gewinnen und Faktoren zu eruieren, die die Entwicklung psychischer Beschwerden im Sinne von Schutz- oder Risikofaktoren beeinflussen. Die Befragung der Verunfallten erfolgte zu drei Messzeitpunkten: Beginn der stationären Behandlung (T1, n=226), bei Entlassung aus der Klinik (T2, n=20) und sechs bis zwölf Monate nach dem Unfall (T3, n=189; T1+T3, n=160). Die Datenerhebung erfolgte mittels Interview, Fragebogen und Auszügen aus der Patientenakte.

Prävalenz psychischer Auffälligkeiten
In der untersuchten Stichprobe ergibt sich eine Auffälligkeitsrate von etwa 25%: Jedes vierte Unfallopfer leidet unter ernstzunehmenden psychischen Beschwerden (Angst oder Depression oder PTBS). Bei dem Großteil der Betroffenen sind die psychischen Symptome persistierend. Patientinnen und Patienten mit psychischen Vorbelastungen sind besonders häufig betroffen.

Risiko- und Schutzfaktoren
Hinsichtlich der untersuchten prätraumatischen Faktoren (allgemeinen Zufriedenheit, aktuellen und vorangegangenen Belastungen, Messinstrument: unveröffentlichter Fragebogen; Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen, Messinstrument: FKK; soziale Unterstützung, Messinstrument: F-SozU) scheint der Großteil der Patientinnen und Patienten gute Voraussetzungen mitzubringen, um den erlebten Verkehrsunfall psychisch gut zu bewältigen. Ein jeweils kleinerer Anteil erlangt in den angewandten Testverfahren jedoch auffällige Werte. Diese Unfallopfer sind als Risikopatientinnen und -patienten anzusehen, das heißt die Wahrscheinlichkeit, infolge des Unfalls psychisch zu erkranken, ist bei ihnen erhöht. Als besonders bedeutsam scheinen hierbei aktuelle und frühere Belastungen, geringe internale und hohe externale Kontrollüberzeugungen sowie eine Abnahme der erlebten sozialen Unterstützung im Laufe des Jahres nach dem Unfall zu sein.

Als peritraumatische Faktoren wurden die Rahmenbedingungen des Unfalls (zum Beispiel Art der Verkehrsbeteiligung, Straßen- und Wetterverhältnisse) und das Erleben des Unfallgeschehens (zum Beispiel "Ich habe den Unfallkommen sehen.") sowie peritraumatische Dissoziation (PDEQ) und Belastung (PTB) erhoben. In der Zusammenschau der Ergebnisse kristallisiert sich ein Befund als wesentlich heraus, dem in vorherigen Untersuchungen noch kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde: Das Erleben von Hilflosigkeit während des Unfallgeschehens scheint bei der Entwicklung psychischer Auffälligkeiten eine zentrale Rolle zu spielen. Weiterführende hypothesengeleitete Studien mit geeigneten Untersuchungsinstrumenten zur quantitativ und qualitativ differenzierten Erfassung von Hilflosigkeitsgefühlen sind hierfür indiziert.

Als posttraumatische Faktoren wurden unter anderem Informationen zur Initialsymptomatik (GSI, HADS-D, PDS-d1), der Verletzungsschwere (AIS, MAIS, ISS), dem Behandlungsverlauf (zum Beispiel Liegedauer, Anzahl an Operationen) sowie der Krankheitsverarbeitung (FKV) untersucht. In Einklang mit früheren Studien leiden Verunglückte mit einer auffälligen Initialsymptomatik (T1) ein Jahr nach dem Unfall (T3) signifikant häufiger unter ernstzunehmenden psychischen Beschwerden als Unfallofer, die zu T1 einen unauffälligen psychischen Befund haben. Die Verletzungsschwere, die Lokalisation der Verletzung und Behandlungsparameter scheinen im Hinblick auf die Entwicklung psychischer Auffälligkeiten hingegen keine Rolle zu spielen. Hinsichtlich der individuellen Krankheitsverarbeitung scheint ein depressiver Copingstil eher mit psychischen Beschwerden assoziiert zu sein als ein aktives problemorientieres Coping bzw. eine Krankheitsverarbeitung im Sinne von Ablenkung und Selbstaufbau.

Vorhersage psychischer Auffälligkeiten
Es wurde eine binäre logistische Regression zur Vorhersage psychischer Auffälligkeiten (T3) durchgeführt. Drei der 12 Prädiktoren erweisen sich als signifikant: psychische Auffälligkeit zu T1, Verschlechterung der erlebten sozialen Unterstützung innerhalb des Follow-up-Zeitraums und psychische Vorbelastung (Psychotherapie innerhalb der letzten zwei Jahre oder psychische Vorerkrankung).

Als Fazit kann aus den Studienergebnissen gezogen werden:

  • Ernstzunehmende psychische Beschwerden infolge von schweren Straßenverkehrsunfällen sind häufig.
  • Es können Risikofaktoren benannt werden, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, infolge eines Unfalls psychisch zu erkranken: Vorliegen einer psychischen Initialsymptomatik, Erleben einer Verschlechterung der sozialen Unterstützung in den Monaten nach dem Unfall und/oder Bestehen einer psychischen Vorbelastung.
  • Die Relevanz weiterer Risikofaktoren (zum Beispiel Hilflosigkeitsgefühle während des Unfallgeschehens) bedarf vertiefender Untersuchungen.

Hieraus leitet sich ein Handlungsbedarf auf unterschiedlichen Ebenen ab. Zum Einen stehen die behandelnden Krankenhäuser in der Verantwortung, gefährdete Patientinnen und Patienten frühzeitig zu identifizieren und geeignete (präventive) Maßnahmen anzubieten. Zum Anderen besteht die Aufgabe im Rahmen der Verkehrssicherheitsarbeit die Thematik weiter publik zu machen und vertiefende Forschung zu unterstützen.

Psychological consequences of road accidents

In the present multi-centre study, a prospective survey involving victims of road traffic accidents who were hospitalized in an acute hospital has been carried out. The aim of the survey was above all to gain information about the frequency of mental abnormalities and to investigate factors influencing the development of psychological pain, these in terms of protective and risk factors. The inquiry with victims took place at three measurement points: at the beginning of the in-patient treatment (T1, n=226), when leaving the clinic (T2, n=20) and between six and twelve after the accident (T3, n=189; T1+T3, n=160). The data were collected by means of interview, questionnaire and excerpts from medical records.

Prevalence of mental Abnormalities
The investigated sample shows an abnormality rate of about 25%: every fourth accident casualty suffers from serious psychological problems (fear, depression or PTSD). For a significant part of the persons concerned, those symptoms are persistent. Patients with mental encumbrances are particularly frequently affected.

Risk and protective Factors
In regard of the investigated pre-trauma factors (overall satisfaction, current and previous stresses, measuring tool: unpublished questionnaire; competence and control beliefs, measuring tool: FKK; social support, measuring tool: F-SozU), the majority of patients seem to have good prerequisites for mentally and effectively coping with the traffic accident they’ve experienced. However, a small number of them obtained abnormal values in the employed tests. These accident casualties must be considered as patients at risk, id est the probability of getting sick as a result of the accident is high for them. Current and previous burdens, internal and external control beliefs as well as a decrease of the received social support received during the year after the accident seem here to be particularly significant.

The basic conditions of the accident (exempli gratia type of transport, road and weather conditions) and witnessing the accident occurrence (exempli gratia "I saw the accident coming.") were collected as peritraumatic factors as well as peritraumatic dissociation (PDEQ) and stress disorder (PTSD). In the synopsis of the results, some findings to which hardly any attention was given in previous surveys proves to be essential: experiencing helplessness during the accident seems to play a central role in the development of mental abnormalities. Further hypothesis-driven studies with appropriate investigation equipment for quantitatively and qualitatively differentiated scanning of feelings of helplessness are therefore indicated.

Information and data about initial symptoms (GSI, HADS-D, PDS-d1), the injury severity (AIS, MAIS, ISS), treatment needs (exempli gratia duration of catheterization, number of operations) and coping with disease (FKV) as well were investigated as posttraumatic factors. In accordance with previous studies, victims displaying abnormal initial symptoms (T1) one year after the accident (T3) suffer significantly more frequently from serious mental problems than casualties having a normal mental report at the T1 level. By contrast, the injury severity, the localization of the injury and the treatment parameters seem not to play any role with regard to the development of mental abnormalities. As to coping individually with disease, a depressive coping style seems to be more associated with mental problems rather than an active problem-oriented coping or coping with disease in terms of distraction and self-construction.

Prediction of mental Abnormalities
A binary logistical regression about the prediction of mental abnormalities (T3) was carried out. Three of the twelve predictors proved to be significant: mental abnormality at T1, worsening of the social support received within the follow-up period and mental encumbrance (psychotherapy within the last two years or mental pre-existing condition).

The following conclusions can be drawn from the studies:

  • Serious psychological problems as a result of dangerous road traffic accidents are frequent.
  • Risk factors increasing the probability of sickening following an accident can be named here: existence of mental initial symptoms, witnessing a worsening of the social support in the months after the accident and/or persistence of a mental encumbrance.
  • The relevance of further risk factors (exempli gratia feelings of helplessness when the accident occurred) needs in-depth investigations.

This result in a need for action at two different levels: on the one hand, the treating hospitals have the responsibility of identifying patients at high risk at an early stage and proposing appropriate (preventive) measures; on the other hand, the task is to make the issue more public in the context of road safety and to support in-depth research.

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